Sanger-Sequenzierung – Aufbau & Prinzip einfach erklärt

Sanger-Sequenzierung – Aufbau & Prinzip einfach erklärt (Quelle: Sergei Drozd/shutterstock.com)
Die Sanger-Sequenzierung gilt als eine der klassischen Methoden der DNA-Sequenzierung und ermöglicht die Bestimmung der Basenabfolge innerhalb eines bestimmten DNA-Moleküls. Auf diese Weise lassen sich kurze DNA-Stränge, aber auch ganze Genome entschlüsseln.
Die DNA-Sequenzierung nach Sanger wurde im Jahre 1977 zum ersten Mal anhand eines komplett entschlüsselten Genoms eines Bakteriophagen der Weltöffentlichkeit vorgestellt – drei Jahre später erhielten Sanger und seine beiden Kollegen dafür den Nobelpreis für Chemie.
Die Sanger-Sequenzierung hat sich damals durchgesetzt, da sie leichter automatisierbar, schneller und ungefährlicher war. Die Methode nach Maxam und Gilbert, die ungefähr zeitgleich entwickelt wurde, ist danach in der Versenkung verschwunden und wird heutzutage nicht mehr durchgeführt.
Synonyme für die Sanger-Sequenzierung
Es gibt zahlreiche Synonyme, die sich allesamt auf die Sanger-Sequenzierung beziehen und beim Laien gehörig für Verwirrung sorgen können:
- Didesoxymethode
- Klassische DNA-Sequenzierung
- Kettenabbruchmethode
- Kettenabbruchsynthese
- DNA-Sequenzierung nach Sanger
Was wird für eine Sanger-Sequenzierung benötigt?
Wir benötigen folgende Materialien und Substanzen, um eine DNA-Sequenzierung nach Sanger durchführen zu können:
- DNA-Matrize
Diese DNA stellt das Ausgangsmaterial dar, das im Endeffekt untersucht und analysiert werden soll. Je mehr genetisches Material zur Verfügung steht, desto besser. - Primer
Der Primer lagert sich während der Sanger-Sequenzierung an jeweils einen Einzelstrang der DNA-Matrize an und dient dort als Ansatzpunkt für die DNA-Polymerase. - DNA-Polymerase (auch: Taq-Polymerase)
Die DNA-Polymerase setzt am Primer an und kopiert den Einzelstrang komplementär. Sie ist die treibende Kraft der DNA-Sequenzierung. - Nukleotide
Die Nukleotide dienen der DNA-Polymerase als Bausteine, sodass diese überhaupt erst über Material verfügt, um die Einzelstränge komplementär zu kopieren. Insgesamt unterscheidet man vier Nukleotide: Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin. - Abbruch-Nukleotide
Abbruch-Nukleotide werden von der DNA-Polymerase genauso verbaut wie normale Nukleotide, allerdings wird der Kopiervorgang durch die Abbruch-Nukleotide beendet, wenn diese eingesetzt werden. Es gibt insgesamt vier Abbruch-Nukleotide: ddA, ddC, ddG und ddT. - Thermozykler
Ein Thermozykler ist jenes Gerät, in dem die Sanger-Sequenzierung durchgeführt wird. Nach einer kurzen Konfiguration führt der Thermozykler die DNA-Sequenzierung von alleine durch. Abseits der Sanger-Sequenzierung wird er häufig für Polymerase-Kettenreaktionen verwendet.
Funktionsweise der Sanger-Sequenzierung
Die Sanger-Sequenzierung stellt eine enzymatische Methode der DNA-Sequenzierung dar. Sie besteht hauptsächlich aus drei Schritten, die insgesamt einen Zyklus bilden. Es bedarf zahlreicher Zyklen, um vorzeigbare Ergebnisse erzielen zu können. Am Ende folgt die Auswertung per Gelelektrophorese.
1. Schritt: Denaturierung
Im ersten Schritt der Sanger-Sequenzierung müssen die Wasserstoffbrückenbindungen, die die doppelsträngige DNA zusammenhalten, aufgelöst werden. Hierfür wird die DNA denaturiert bzw. bei 94 Grad Celsius für ungefähr eine Minute erhitzt. Als Endergebnis liegen nach der Denaturierung zwei Einzelstränge vor, aus denen die DNA zuvor bestand.
2. Schritt: Primerhybridisierung bzw. Annealing
Im zweiten Schritt soll sich der Primer an die Einzelstränge der DNA anlagern. Diese Anlagerung erfolgt komplementär an der Zielsequenz der DNA, für die der jeweilige Primer ausgelegt ist. Dieser Vorgang wird bei 50 bis 60 Grad Celsius durchgeführt und dauert etwas 15 Sekunden. Er wird als Primerhybridisierung oder auch als Annealing bezeichnet.
3. Schritt: Polymerisierung bzw. Extension
Bei der Extension wird die Temperatur auf 74 Grad Celsius angehoben, sodass sich die DNA-Polymerase an den Primer anlagern kann und den jeweiligen Einzelstrang komplementär kopiert. Als Baustoff werden hierfür die beigefügten Nukleotide verwendet. Außerdem wird dem Vorgang pro Zyklus immer genau ein Abbruch-Nukleotid beigefügt. Wenn die DNA-Polymerase dieses Abbruch-Nukleotid verbaut hat, beendet sie ihre Arbeit umgehend. Es werden keine weiteren Nukleotide verbaut.
4. Schritt: Wiederholung
Diese drei Schritte werden nun immer wieder wiederholt, wobei dem Vorgang immer genau ein Abbruch-Nukleotid pro Zyklus hinzugeführt wird. Dabei sollten sich die vier Typen der Abbruch-Nukleotide immer abwechseln, sodass der Strang abwechselnd mit einem Adenin-, Guanin-, Cytosin- und Thymin-Nukleotid beendet wird. Auf diese Weise entstehen im Endeffekt zahlreiche Stränge, die allesamt eine unterschiedliche Länge aufweisen und für die Auswertung unentbehrlich sind.
5. Schritt: Auswertung
Die Auswertung erfolgt mittels Gelelektrophorese, mit deren Hilfe unterschiedlich große DNA-Stränge nach Größe sortiert werden können. Als Grundlage dient hierfür ein sogenanntes Elektrophoresegel, welches (in unserem Fall) vier verschiedene Kammern beherbergt, in die unser Produkt der bisherigen DNA-Sequenzierung gegeben wird. Die vier Kammern stehen für die vier verschiedenen Nukleotide.
Um eine ungefähre Vorstellung einer solchen Gelelektrophorese zu bekommen, haben wir am rechten Rand eine schematische Darstellung eingefügt. In dieser Darstellung existieren allerdings deutlich mehr als vier Kammern.
Auf der Seite der Kammern befindet sich nun eine negative Elektrode, am anderen Ende ist eine positive Elektrode angebracht. Da die DNA-Moleküle negativ geladen sind, bewegen sie sich während der Elektrophorese in Richtung Plus-Pol. Leichte Moleküle bewegen sich im Gel schneller, schwere Moleküle hingegen langsamer. Diese Moleküle werden nach der Gelelektrophorese sichtbar.
Nun muss man vom Minus- bis zum Plus-Pol nur noch die jeweiligen Markierungen ablesen und erhält den fertigen DNA-Strang. Dieser muss allerdings noch in sein komplementäres Abbild umgewandelt werden. Diese Umwandlung erfolgt recht einfach:
- Adenin wird zu Thymin
- Guanin wird zu Cytosin
- Cytosin wird zu Guanin
- Thymin wird zu Adenin
6. Schritt: Die fertige DNA-Sequenzierung nach Sanger
Die Sanger-Sequenzierung ist nun beendet. Uns liegt als Endergebnis die Basenabfolge einer bestimmten DNA-Sequenz vor.
Es gibt heutzutage deutlich modernere Ansätze
Die Methode der Sanger-Sequenzierung wird zwar immer noch in der Schule und in der Universität gelehrt, allerdings gibt es heutzutage deutlich modernere Ansätze, die in der Industrie und der Wissenschaft genutzt werden. Die Kettenabbruchmethode ist allerdings relativ einfach erklärt, weshalb sie wohl immer noch als exemplarische Methode zur DNA-Sequenzierung genutzt wird.
Über Frederick Sanger
Frederick Sanger war ein britischer Biochemiker, der am 13. August 1918 in Rendcomb das Licht der Welt erblickte und am 19. November 2013 in Cambridge verstarb.
Sanger erhielt im Jahre 1958 den Nobelpreis für Chemie, da er für die Aufklärung der Struktur des Insulins sorgte. Im Jahre 1980 erhielt er erneut den Nobelpreis für Chemie – diesmal für seine Methode der DNA-Sequenzierung. Den zweiten Nobelpreis erhielt er allerdings nicht alleine, sondern zusammen mit dem US-Molekularbiologen Paul Berg und dem Physiker und Biochemiker Walter Gilbert. Dennoch ist seine Methode auch heute noch hauptsächlich als Sanger-Sequenzierung bekannt.
Frederick Sanger ist bis heute eine der wenigen Personen, die Zeit ihres Lebens mit zwei Nobelpreisen ausgezeichnet wurden.
Fragen oder Kommentare?
Wir wissen, dass es recht lange dauert, bis man Methoden wie die Sanger-Sequenzierung verstanden hat. Wir haben versucht, das Prinzip so einfach wie möglich zu erklären. Wenn dennoch Fragen offen geblieben sind oder Du Anmerkungen hinzufügen möchtest, kannst Du diese gerne in die Kommentare posten.